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Sarah Clarke: "Meine Beziehung hat stets Vorrang gegenüber der Karriere."

Galore - 3. Quartal 2004

von Andreas Renner

Zeit und Raum: 28.05.2004 in Sarah Clarkes Haus, Los Angeles

Sarah Clarke ist Schauspielerin und wurde durch ihre Rolle als Agentin Nina Myers in der TV-Serie „24" bekannt.

Frau Clarke, das Konzept der TV-Serie „24" besteht aus je 24 einstündigen Folgen, die einen kompletten Tag im Leben eines Agenten in Echtzeit beschreiben. Als Sie erstmals von dieser Idee hörten, konnten Sie sich da überhaupt vorstellen, wie das funktionieren sollte?

Sarah Clarke: Nicht wirklich, das ist ein absolut innovatives Konzept, das es in dieser Form zuvor noch nicht gegeben hat. Ich habe mich natürlich zuerst gefragt, ob man den Darstellern denn auch auf die Toilette folgen würde oder sie beim Schlafen filmt. Aber dann hat man mich belehrt: Agenten, die ein Attentat verhindern wollen, denken nicht an Dinge wie Schlaf oder Nahrung, (lacht) Die stehen nur total unter Stress.

Inwiefern konnten Sie Ihre Rolle als Agentin Nina Myers mitgestalten?

Clarke: Als wir die Pilotsendung gedreht haben, wusste ich fast gar nichts über den Charakter von Nina Myers. Die Drehbuchschreiber hatten eigentlich auch gar keine Ahnung, in welche Richtung die Geschichte letztlich gehen würde. Fest stand nur, dass Nina eine Affäre mit Jack Bauer alias Kiefer Sutherland haben wird, der aber dazu tendiert, zu seiner Familie zurückzukehren. Ansonsten war alles noch offen, weil niemand wusste, ob die Serie überhaupt in Produktion gehen würde. Erst im Laufe der Zeit wurde auch für uns Darsteller mehr und mehr ersichtlich, wohin die Reise gehen würde. Für uns als Schauspieler waren diese Voraussetzungen natürlich ein Traum, weil wir sehr viel Eigeninitiative in unsere Rollen einbringen konnten. Mit jeder neuen Folge, die wir gedreht haben, wurde uns bewusster, wie die Geschichte in etwa ausgehen könnte. Es war ja alles sehr geheim.

Wie lange im Voraus wussten Sie denn, was Sie mit Ihrer Rolle im weiteren Verlauf des Drehbuches erwarten wird?

Clarke: Wir haben immer nur zwei Drehbücher gleichzeitig bekommen, was in den Folgen danach passieren sollte, wurde gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Wir hatten wirklich keine Ahnung! Ich wusste ja nicht mal, ob ich auch in der zweiten Staffel dabei sein würde. Dass man mich tatsächlich auch im zweiten Jahr eingeplant hatte, habe ich erst sehr kurzfristig erfahren. Das war schon eine ziemlich spannende Sache. Reichlich ungewöhnlich in jedem Fall, deswegen hat es auch so großen Spaß gemacht, an dieser Serie mitzuwirken.

Hat die Crew denn nicht versucht, trotz aller Geheimhaltung Informationen über den weiteren Fortgang der Serie zu erfahren? Schließlich ging es doch auch um die berufliche Zukunft eines jeden Schauspielers.

Clarke: Na klar, jeder war doch neugierig, wie es wohl weitergehen würde, und ob er seinen Job behalten kann. Es war ja schließlich aufgrund der Story im Agentenmilieu jederzeit möglich, dass man etwa einem Attentat zum Opfer fällt. Aber es gab wirklich absolut keine Möglichkeit, den Produzenten etwas zu entlocken.

Konnten Sie auch eigene Ideen in die Story einbringen?

Clarke: Die Drehbuchautoren haben sich zumindest alle Ideenvorschläge der Schauspieler angehört, und einige sogar angenommen. Im Grunde waren sie sogar ganz froh, wenn wir mitgedacht haben, denn in derart komplexen Stories schleichen sich leicht Fehler im logischen Ablauf ein.

Haben Sie auch mal protestiert gegen die Art und Weise, wie Nina Myers dargestellt werden sollte?

Clarke: Oh ja, da gab es schon einige Streitfälle! Es gab beispielsweise immer wieder Überlegungen, die Romanze zwischen Nina und Jack Bauer wieder aufflackern zu lassen. Dagegen habe ich mich gewehrt, denn ich wollte nicht, dass Nina als schwache Frau präsentiert wird, die sich einem Mann willenlos hingibt, wann immer er das Verlangen danach verspürt. Ich konnte mich tatsächlich durchsetzen.

Wann haben Sie erfahren, dass Sie der Maulwurfsein würden, der gegen die US-Regierung arbeitet und Jack Bauer in den Rücken fällt?

Clarke: So etwa sechs Folgen vor dem Ende der ersten Staffel hat man mir gebeichtet, dass Nina Myers als Doppelagentin geoutet wird. Aber eigentlich fand ich das ziemlich toll! (lacht) Es sind nämlich vor allem die Männer und die Bösewichte in dieser Serie, um die sich alles dreht. Als Frau war ich also ganz glücklich darüber, dass ich über den Umweg als Übeltäterin eine tragende Rolle spielen konnte.

Die Serie besticht immer wieder auch durch provokante Inszenierungen. Was bislang in Amerika noch als Utopie gilt, ist in „24" Normalität: ein schwarzer US-Präsident. Wie haben die Zuschauer, speziell in den USA, darauf reagiert?

Clarke: Wir haben tatsächlich sehr viele Reaktionen darauf bekommen, meistens positive. Viele haben in Briefen an die Redaktion ihre Hoffnung ausgedrückt, dass es bald so weit sein wird, dass die Rasse oder das Geschlecht eines Politikers keine Rolle spielt bei der Wahl eines Präsidenten. Ich habe den Mut der Produzenten jedenfalls sehr bewundert, solche Reizthemen zum Bestandteil der Serie zu machen. Ich hoffe sehr, dass wir damit Aufklärungsarbeit geleistet haben und die Menschen sich schon mal daran gewöhnen, dass ein Präsident durchaus auch eine dunkle Hautfarbe haben kann.

Glauben Sie, Amerika ist bereit für eine Präsidentin oder einen schwarzen Präsidenten?

Clarke: Lassen Sie es mich mal so ausdrücken: Hätten wir eine Präsidentin, würde sich Amerika nicht im Krieg befinden. Davon bin ich überzeugt. Ob die Mehrheit das ebenso sieht, bezweifle ich allerdings.

Inwiefern hat der Erfolg von „24" Ihre Karriere beeinflusst?

Clarke: Nun, in erster Linie war die Serie dafür verantwortlich, dass ich von New York nach Los Angeles gezogen bin. Und ich habe meinen Mann Xander Berkeley am Set kennen gelernt. Das hat mein persönliches Leben komplett umgekrempelt - in sehr angenehmer Hinsicht. Für meine Karriere war der Erfolg von „24" zweifelsohne ein Fortschritt und hat einige Türen geöffnet. Mein Gesicht ist bekannter geworden und viele Casting-Direktoren kennen meine Arbeit dank der Serie nun besser. Allerdings hat mich die Rolle der Nina Myers auch unfreiwillig in eine thematische Ecke gedrängt, in die ich gar nicht wollte. Ich bekomme jetzt sehr viele Angebote, eine Agentin zu spielen. Dem will ich unbedingt entgegenwirken, denn ich möchte möglichst vielfältig arbeiten. Nicht nur was meine Rollen betrifft - ich möchte auch mit vielen verschiedenen Regisseuren drehen und neue Arbeitsweisen kennen lernen. Mit Sophia Coppola etwa, und mit Martin Scorsese auf jeden Fall. Er hat ein tolles optisches Auge und ist ein absoluter Filmfanatiker. Und natürlich mit den Coen Brüdern, ich sehne mich nach einer Rolle in einer Komödie. Ach ja, und der deutsche Filmemacher, wie heißt er noch gleich? Der, der „Lola rennt" gedreht hat...

Tom Tykwer.

Clarke: Ja, richtig. Mit ihm würde ich auch wahnsinnig gerne mal drehen, ich mag seine Arbeit sehr.

Hat es zwischen Ihnen und Xander Berkeley sofort gefunkt, als Sie sich erstmals am Set trafen?

Clarke: Ja, ich war sofort angetan von seiner enormen Ausstrahlung. Ich habe mich zuerst in seine Stimme und in seine Augen verliebt. Als ich ihn dann näher kennen gelernt habe, bin ich ihm schließlich restlos verfallen. Sie haben Ihre Beziehung über sechs Monate lang geheim gehalten.

Warum eigentlich?

Clarke: (überlegt) Ich war neu in der Stadt, Xander war einer der wenigen Menschen, die ich kannte in Los Angeles. Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, es war einfach schön, etwas zu haben, das wir nicht mit anderen teilen mussten. Wir wollten auch nicht, dass unsere Beziehung Teil des Showbusiness wird. Also haben wir geschwiegen und genossen. Irgendwie hat die Geheimniskrämerei ja auch ganz gut gepasst zu „24", wir haben ganz im Sinne der Serie auch privat ein Doppelleben geführt. (lacht) Als wir den Kollegen am Set schließlich unsere Liebe offiziell beichteten, hat man für uns spontan eine tolle Party veranstaltet.

Hatte Ihr „Outing" einen Einfluss auf die gemeinsame Arbeit am Set?

Clarke: Nein, nicht wirklich. Wir konnten uns in Drehpausen endlich auch mal umarmen, das war natürlich sehr viel angenehmer als das Versteckspiel in den Garderoben.

Nach „24" haben Sie mit Xander gemeinsam zwei Filme gedreht, „The Third Date" und „Beloiu The Belt". Sie wollen Beruf und Privatleben offensichtlich nicht unbedingt trennen.

Clarke: Ich arbeite sehr gerne mit Xander, wann immer sich die Möglichkeit dazu ergibt, werden wir das auch weiterhin tun. Mal abgesehen davon, dass Xander mein Mann ist, ist er außerdem einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler. Es macht viel Spaß mit ihm zu drehen und ich lerne obendrein auch noch eine Menge von ihm. Ich glaube, dass Xander noch eine große Karriere als Regisseur vor sich hat, das ist sein nächstes Ziel. Hoffentlich wird er mich dann auch ab und zu mal in einem seiner Filme casten. (lacht) Xander und ich haben bereits gemeinsam ein paar Ideen für Drehbücher verfasst. Wir träumen davon, mal eine eigene Geschichte verfilmen zu können. Manchmal fängt einer von uns beiden einfach an, eine Geschichte zu erzählen, und der andere schreibt am nächsten Tag seine Version davon auf, wie er sich den weiteren Verlauf der Story vorstellen könnte. Diese Form der kreativen Ideenfindung ist wirklich sehr produktiv. Wir ticken da absolut auf der gleichen Wellenlänge.

Ehen zwischen Schauspielern haben in Hollywood in der Regel keine sehr lange Halbwertzeit. Wie gehen Sie gegen den ,Ehefluch' im Showbusiness an?

Clarke: Es ist sehr schade, dass so viele Ehen in Hollywood zerbrechen. Und natürlich bringt mich das zum Nachdenken. Das Leben in Hollywood kann sehr destruktiv sein, wenn man sich zu sehr davon vereinnahmen lässt. Es ist wichtig, dass man innerhalb dieses künstlichen Showbusiness' mit den vielen gefährlichen Stolperfallen seine eigene kleine Welt schafft, basierend auf den persönlichen Lebensphilosophien. Für mich hat die Beziehung stets Vorrang gegenüber der Karriere. Hollywood mit seinen oft sehr unmoralischen Spielregeln ist nur dann Teil meines Lebens, wenn ich arbeite. Mein Mann und ich lieben es beide zu reisen, das ist ein Vorteil. Wann immer wir die Möglichkeit dazu haben, zieht es uns hinaus aufs Land oder fort in andere Kulturen. Es ist wichtig, Hollywood gelegentlich den Rücken zu kehren. Wir haben außerdem vereinbart, dass einer dem anderen folgt, wo immer der an einem Projekt arbeitet. Auf diese Weise können wir Leidenschaft und Privatleben ganz gut kombinieren.

Wie weit sind Sie bereits Teil des ewigen Partytreibens in Hollywood geworden?

Clarke: Ich vermeide das Partyleben in Hollywood wo immer ich kann, das ist einfach nicht mein Ding. Xander und ich leben abgeschieden in den Hollywood Hills in unserem Haus aus den Dreißiger Jahren. Die dicht bewachsene Landschaft ringsherum erinnert mich oft an Italien, hier oben bekommt man zum Glück nicht viel mit vom gekünstelten Treiben im noblen Beverly Hills oder in Bei Air. Wir laden uns lieber Freunde nach Hause ein. Viele unserer Freunde stammen auch gar nicht aus dem Showbusiness, die meisten von ihnen sind Designer oder Künstler, oder arbeiten in ganz normalen Berufen. Xander und ich stammen beide nicht aus Kalifornien. Dass wir andere Lebensformen kennen, und diese auch schätzen, macht uns manchmal zu Einsiedlern in Hollywood. Ich bin in Missouri aufgewachsen, Xander stammt aus Kanada und ist an der Ostküste groß geworden, wo die Menschen ganz andere Charakterzüge aufweisen als in Kalifornien. Mit diesem Background picken wir uns einfach das Beste aus allen Landstrichen heraus und leben sehr gut damit.

Wie haben Sie Ihre Kindheit in Missouri erlebt?

Clarke: In Missouri aufzuwachsen war keine schlechte Erfahrung. St. Louis ist im Vergleich zu New York oder Los Angeles eine kleine Stadt, ich habe mich dort sehr behütet gefühlt. Der mittlere Westen ist sicher ein guter Ort, um aufzuwachsen. Aber nachdem ich die Universität beendet hatte, fiel mir dort die Decke auf den Kopf. Vor allem nachdem ich ein Jahr lang in Italien gelebt hatte. Das hat Lust gemacht auf mehr, ich wollte die Welt kennen lernen und erobern. Und so ging ich nach New York. Der Schritt ist mir nicht sehr schwer gefallen, weil sowohl meine zwei Brüder als auch jede Menge Studienkollegen bereits dort lebten. Ich hatte also schnell Anschluss.

Was hat Sie nach Italien gebracht?

Clarke: Ich habe Italienisch und Fotografie studiert an der Universität in Indiana. In diesem Rahmen habe ich mich als Austauschstudentin in Italien beworben und zog schließlich für neun Monate nach Bologna. Anschließend bin ich noch drei Monate lang kreuz und quer durch Europa gereist. In Italien habe ich meine Liebe für die Schauspielerei überhaupt erst entdeckt. An der Uni gab es einen Schauspielkursus, einer meiner Mitkommilitonen hat mich da eines Tages mit hingeschleppt. Ich bekam prompt eine Rolle in einem Stück und das hat den Virus für die darstellende Kunst in mir geweckt. Dieses Schulstück war komplett in Italienisch, ich musste daher sehr viel improvisieren. Aber es ging irgendwie. Als ich nach Amerika zurück kam, ging ich nach New York und habe ein Stipendium an der Circle Square Schauspielschule bekommen. Nebenbei habe ich mir ein paar Dollar mit Architektur-Fotografie verdient. Fotografieren ist meine zweite große Leidenschaft neben der Schauspielerei, ich wollte früher unbedingt Fotografin werden. Aber ich bin mittlerweile sehr glücklich mit meiner Berufswahl.

Können Sie sich vorstellen, auch mal wieder am Theater zu arbeiten?

Clarke: Oh ja, das wäre fantastisch. Auf einer Theaterbühne zu stehen, ist Schauspielerei pur. Wenn man ein Stück sieben Tage in der Woche spielt, dann lebt man eine Rolle ganz anders, als wenn man diese in einem Film oder für das Fernsehen in einem Studio darstellt. Außerdem spürt man sofort die Reaktion des Publikums, das hat einen zusätzlichen Reiz. Die kleinen Theater abseits des Broadway in New York haben eine sagenhafte Atmosphäre. Keine Frage, ich würde sofort in einem spannenden Stück mitwirken.

 
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