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Ein tödlicher Fehler
by Schusy

Altersfreigabe: FSK 12
Paarung/vorkommende Charaktere: Jack
Kategorie: Drama
Zusammenfassung: Zwischen Season 4 und dem Trailer von Season 5, Jack ist tot, zumindest offiziell und eine ungewisse Zukunft liegt vor ihm – aber die Sehnsucht nach seiner Tochter lässt ihn einen tödlichen Fehler begehen.
Disclaimer: Es gehört alles 24; Ich verfolge keinerlei finanzielle Interessen mit dieser Story. Ich möchte nur, dass andere Fans Spaß beim Lesen haben.

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Ein letzter Blick zurück, dann setzte er sich die Sonnenbrille auf und lief mit festem Schritt die Gleise entlang, seinen Blick nach vorn gerichtet – auf eine noch völlig unbekannte Zukunft. Ein letzter Blick zurück, zurück auf all das was ihm lieb und teuer war, zurück, auf das, was einst sein Leben gewesen war und das mit dem heutigen Tag ein bitteres Ende gefunden hatte – denn für Jack gab es kein Zurück mehr, Jack war tot, gestorben, weil er für einige Personen zu unbequem geworden war. Ein Sicherheitsrisiko, welches man lieber auf effektive Art und Weise aus der Welt schafft. Weggeworfen wie ein Stück Müll, das seine Schuldigkeit getan hatte und nicht mehr gebraucht wurde, dass lästig geworden war und man froh war, es endlich los zu sein. Jack musste lächeln – aber es war keineswegs ein fröhliches Lächeln, sondern voll von Bitterkeit über die Ironie des Schicksals. Jahrelang kämpfte er an vorderster Front, riskierte Kopf und Kragen, um mögliche Gefahren von seinem Land abzuwenden und als Dank für alles zog man seine Liquidierung in Betracht. Wie wenig sie ihn doch kannten. Um keinen Preis der Welt hätte Jack je seinen Feinden auch nur ein einziges Wort verraten. Niemals wäre er zum Verräter an seinem Land geworden, aber dieses Risiko wollte man offenbar nicht eingehen.

Als die Verbitterung ihn zu überrollen drohte, stahl sich ein kleiner Lichtblick in seine trüben Gedanken. Nein, nicht alle hatten ihn verraten oder fallen lassen. Er hatte treue Freunde, die zu ihm standen, die mit ihm bangten und hofften und nur mit deren Hilfe war es möglich gewesen, dass Jack jetzt nicht tatsächlich tot war, sondern mit neuer Identität weiterleben konnte. Einen Jack Bauer würde es nicht mehr geben, aber dafür einen Nick Anderson … Nick Anderson an diesen Namen würde er sich erst noch gewöhnen müssen.

Er hatte noch keine klare Vorstellung was er tun und wohin er sich wenden würde. Alles hatte sehr schnell gehen müssen und zum Nachdenken war ihm nicht viel Zeit geblieben. Er hatte sofort eine Entscheidung treffen müssen, eine Entscheidung, bei der es absolut keinen Weg zurück gab, wollte er nicht seine Freunde in Gefahr bringen. Sie waren die Einzigen die wussten, wer sich hinter Nick verbarg und so musste es auch bleiben. Selbst sein Tochter oder Audrey durften niemals die Wahrheit erfahren, weil es für sie sonst eine ständige Gefahrenquelle darstellen würde. An diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen, musste Jack schlucken und obwohl er dagegen ankämpfte, konnte er nicht verhindern, dass seine Augen feucht wurden. Audrey hatte an diesem einen Tag gleich zwei Männer verloren, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielten. Wie würde sie wohl damit fertig werden. Zu gern hätte er sie in seine Arme geschlossen, sein Gesicht in ihren Haaren vergraben und ihr zärtlich über die Wangen gestreichelt. Den unvergleichlichen Duft ihres Parfüms – er würde ihn nie wieder riechen dürfen, würde nie wieder ihren weichen, anschmiegsamen Körper spüren können, ihre süßen Lippen schmecken, nie wieder ihre sanfte Stimme hören und ein gequältes Stöhnen entrang sich seiner Kehle.

Und Kim, wie würde sie wohl die Nachricht von seinem Tod aufnehmen? Für sie musste es ein furchtbarer Schock sein, jetzt auch noch ihren Vater so plötzlich zu verlieren. Langsam drang die ganze Tragweite dieser Entwicklung in sein Bewusstsein. Mit brutaler Gewalt begriff er, dass er auch seine Tochter für immer verloren hatte. Unzählige Erinnerungen huschten blitzschnell durch seine Gedanken. Er würde ihr nie wieder als Vater zur Seite stehen können, wenn sie Probleme oder Fragen hatte. Es zerriss ihm fast das Herz, wenn er an seine Kleine dachte. Was würde sie jetzt wohl gerade tun? Wusste sie bereits von seinem Tod, oder hatte man es ihr noch nicht gesagt? Der Gedanke, Kim nie mehr sehen zu dürfen, quälte ihn und ein ziemlich verrückter Plan nahm langsam Gestalt an. Er wusste, er würde keine Ruhe finden, wenn er jetzt einfach so die Stadt verließ, ohne versucht zu haben, sie wenigstens aus der Ferne noch einmal gesehen zu haben. Um sein Vorhaben in die Tat umsetzen zu können, würde er einige Tage benötigen – er musste sich also zunächst einen Unterschlupf besorgen, der seinem Plan entsprach und Jack wusste auch schon, wo er diesen finden würde. Entschlossen machte er sich auf den Weg.

Es war einige Tage später und trotz des Sonnenscheins wirkte das Viertel trostlos und düster. Der Gestank von Abgasen und Müll mischte sich mit den unterschiedlichsten Gerüchen, die aus den offenen Fenstern der verkommen wirkenden Häuser auf die Straße drangen. Zwielichtige Gestallten lungerten in dunklen Ecken, Frauen mit Einkaufstüten hasteten eilig an ihnen vorbei, auf möglichst viel Abstand bedacht. Auf der Straße herrschte reger Verkehr und wem es nicht schnell genug ging, brachte seinen Unmut durch lautes Hupen zum Ausdruck. Ein Mann in dunkler Bomberjacke und ausgefransten Jeans tauchte an einer Toreinfahrt auf und verharrte für einige Minuten im Schatten der Hauswand. Strähnen seines ungepflegten, fettig wirkenden Haares fielen ihm ins Gesicht. Ein üppig wuchernder Bart verbarg seinen Mund und seine Augen verdeckte eine dunkel getönte Brille. In diesem Mann ließ sich nur schwerlich der einstige, von vielen so gefürchtete Agent Jack Bauer vermuten und dennoch, wer ihn genau kannte, den mochte auch diese Verkleidung nicht täuschen.

Jack sah sich aufmerksam um und lief dann, den Kopf leicht gesenkt, die Straße hinab. Er hatte sich die letzten Tage sein Hirn zermartert, wie er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte, ohne ein zu großes Risiko einzugehen. Niemand durfte wissen, dass er sich noch in der Stadt befand, nicht einmal seine Freunde, wenn er sie nicht unnötig in Gefahr bringen wollte. Unauffällig hielt er ständig die Umgebung im Auge, jederzeit bereit, sofort reagieren zu können und doch wirkte er auf Außenstehende wie ein harmloser Freak, der es offenbar nicht zu eilig hatte. Ein junger Halbstarker kam aus einer Nebenstraße und bog in seine Richtung ein. Ein unhörbares Fluchen entrang sich Jacks Lippen, denn er hatte Ricky sofort erkannt. Er gehörte zu seinen unzähligen Informationsquellen aus der Unterwelt von LA. Jack wandte seinen Blick leicht ab, senkte den Kopf noch weiter und hoffte, dass Ricky ihn nicht bemerken würde.

„Jack? … He Jack, sind sie das wirklich?“

Jack zuckte zusammen und versteifte sich innerlich, doch nach Außen zeigte er keine Reaktion und lief unbeirrt weiter. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg. Verdammt, er durfte nicht erkannt werden. Als er eilige Schritte ganz in seiner Nähe hörte, wusste er, dass es kein Ausweichen mehr gab und verzögerte seinen Schritt. Langsam wandte er sich um und blickte dem jungen Mann mit unbeweglichem Gesicht entgegen. Dieser lächelte jetzt.

„Oh man, ich hätte sie fast nicht erkannt. Wohl wieder mal undercover unterwegs.“ Ricky feixte.

„Ja … hör zu, Ricky, ich …“

„Schon klar man, ich darf keinem erzählen, dass ich sie gesehen habe.“ fiel ihm Ricky augenzwinkernd ins Wort.

Jack zwang sich zu einem zustimmenden Lächeln, obwohl ihm keineswegs danach zumute war. Warum musste Ricky auch ausgerechnet jetzt hier auftauchen. Jack sah sich unauffällig um, während er sich langsam wieder umdrehte und seinen Weg fortsetzte. Der junge Mann blieb beharrlich an seiner Seite. Nach einigen hundert Metern bog Jack in eine schmale, düster wirkende Gasse. Er kannte sich hier bestens aus und zielstrebig drang er immer tiefer in die verworrenen Straßenzüge vor. Jack hatte es geschickt verstanden, Ricky mit einer frei erfundenen Story zu fesseln und gleichzeitig dabei ständig die Umgebung im Auge behalten. Als er schließlich ein altes, verlassenes Gebäude betrat, folgte Ricky ihm ohne zu zögern. Erst als er hinter Jack eine knarrende Treppe hinunter stolperte, schaute dieser sich verwundert um.

„He, Jack … wo sind wir hier überhaupt?“

Jack antwortete jedoch nicht, sondern lief einen dunklen Korridor entlang und verschwand dann durch eine Türöffnung. Modriger Geruch schlug den Beiden entgegen und eine Ratte suchte eiligst das Weite. Durch die mit Dreck und Spinnweben überzogene Scheibe des kleinen Fensters, drang nur spärliches Licht in das Kellergewölbe, aber dennoch erkannte Ricky, dass es hier außer ein paar Lumpen in der Ecke absolut nichts gab. Verwirrt schaute er sich um, um dann fragend zu Jack zu blicken. Für einen Moment hatte Jack sich nicht voll unter Kontrolle und Bedauern lag in seinen Augen. Doch noch bevor Ricky eine Frage stellen konnte, packte Jack den jungen Mann, schlang seinen Arm um seinen Hals und flüstert heißer in dessen Ohr.

„Es tut mir leid, Ricky, so furchtbar leid.“ und mit einem schnellen Ruck brack er Ricky das Genick.

Jack hatte Tränen in den Augen, als er den erschlaffenden Körper fast liebevoll zu Boden gleiten ließ. Er hockte sich neben den Toten und starrte erschüttert in die noch die ihn fassungslos anblickenden Augen. Ein Würgen stieg in seiner Kehle empor und Ekel vor sich selbst erfasste ihn, als ihm bewusst wurde, was er soeben getan hatte. Er hatte gehandelt wie eine Maschine, er hatte getan, was getan werden musste, doch jetzt löste sich die Anspannung der letzten Minuten und ein Gefühl von unbändigen Schmerz, Bedauern, Wut und Hilflosigkeit ließ ihn gequält aufstöhnen. Er hatte einen unschuldigen und völlig wehrlosen Menschen getötet, aber Jack war klar, dass er nicht anders hatte handeln können. Das Geheimnis seines vorgetäuschten Todes musste unter allen Umständen gewahrt bleiben. Schwäche oder gar Mitgefühl zu zeigen, konnte er sich nicht leisten, denn zu viel stand auf dem Spiel.

Jack stand auf und schaffte die Leiche in eine der dunklen Ecken. Er war sich sicher, dass eine lange Zeit vergehen würde, bis sie hier gefunden wurde. Die Feuchtigkeit in diesen Keller würde ihr übriges tun, um alle eventuellen Spuren zu vertilgen.

„Verzeih mir, Ricky.“ Murmelte Jack und wandte sich zum gehen. Bevor er das Haus verließ, vergewisserte er sich zunächst, dass die Luft rein war. Einsam und verlassen lag die Straße vor ihm. Nicht die kleinste Kleinigkeit deutete daraufhin, dass hier soeben ein Verbrechen begangen wurde. Jack fröstelte und verließ schnell dieses Viertel.

Einige Stunden später hockte Jack in der Ecke einer, kleinen Raststätte, wie man sie häufig an Ausfallstraßen von LA findet, vor sich eine Tasse Kaffee, der längst kalt geworden war und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Doch immer wieder erschien das Bild von Ricky vor seinen Augen, hörte er dessen Stimme und sah seinen leblosen Körper am Boden liegenden. Es war ein Fehler gewesen anzunehmen, er hätte in dieser Stadt unentdeckt bleiben können – ein Fehler, den ein unschuldiger junger Mann mit dem Leben bezahlen musste – ein tödlicher Fehler. Jack wurde klar, dass er für jeden, der ihn kannte zur tödlichen Gefahr geworden war und es gab nur eine Möglichkeit ähnliches zu verhindern. Er musste verschwinden und untertauchen. Sein Plan Kim noch ein letztes Mal sehen zu können, war egoistisch und zu riskant. Er musste diesen Plan aufgeben, sich diese Hoffnung aus dem Herzen reißen. Von nun an gab es nur noch Nick Anderson und dieser hatte keine Tochter namens Kim.

Jack trank seinen Kaffee aus, stand auf und verließ das Lokal. Langsam schlenderte er in Richtung der Bushaltestelle für die Überlandbusse. Den Nächsten der kam, würde er besteigen und es dem Zufall überlassen, wohin er ihn bringen würde.

         
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