Ein
Wink des Schicksals
by HoppelEtwa 6 Monate vor Season 2
Michelle geht am Abend vor ihrem ersten Arbeitstag bei
der CTU in eine Bar und lernt dort Tony kennen, ohne zu
wissen, dass er ihr Vorgesetzter sein wird und verbringt
die Nacht mit ihm. Am nächsten Morgen schmeißt sie ihn
aus dem Haus und stellt erst in der CTU mit Entsetzen
fest, was passiert ist.
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Blind vor Tränen stolperte Michelle auf ihren schwarzen,
hochhackigen Lacklederpumps den hell erleuchteten,
belebten Sunset Boulevard entlang. Sie bemerkte nicht die
neugierigen Blicke der vorbeigehenden Passanten, die sie
trafen, genauso wenig wie den Regen, der aus dem Himmel
herniederprasselte. Ihre Haare, die sie heute morgen noch
so liebevoll geföhnt hatte, hingen inzwischen in wirren
Strähnen um ihr rundes Gesicht. Die sorgfältig auf ihre
Wimpern aufgetragene Tusche hatte sich durch ihre Tränen
aufgelöst und lief in kleinen schwarzen Bächen ihr
Gesicht entlang.
War es ein Fehler gewesen, ihre Abschiedsfeier in der
Abteilung Wirtschaftskriminalität des FBI
derart überstürzt zu verlassen? Krampfhaft umklammerte
Michelle den bunten Blumen-
strauß, den ihre Kollegen ihr zum Abschied übergeben
hatten. Einige der Blütenblätter hatten sich durch den
heftigen Regen gelöst und bildeten bunte Muster auf den
Pfützen, die den Bürgersteig bedeckten.
Nein, es war kein Fehler gewesen. Wie hätte sie nach dem,
was sie gehört hatte, auch nur eine Sekunde länger in
diesem Gebäude bleiben können und dem Mann womöglich
noch ins Gesicht sehen, der ihr das angetan hatte? Was
für ein trauriges Ende für einen Tag, der so traumhaft
begonnen hatte:
Die Sonne kitzelte Michelles Gesicht, als sie nach einem
langen, erholsamen, traumlosen Schlaf aufwachte. Schnell
sprang sie aus dem Bett und ging unter die Dusche.
Heute war also endlich ihr langersehnter, letzter Tag in
der Abteilung Wirtschafts-
kriminalität. Eigentlich hatte sie sich im Kreis
ihrer Kollegen immer recht wohlgefühlt bis zu dem
Tag, als die Abteilung einen neuen Leiter bekam: James
Denton, groß, drahtig, dynamisch und unglaublich gut
aussehend. Alle weiblichen Wesen rissen sich darum, für
ihn zu arbeiten. Er allerdings hatte sich die
Personalakten vorher sorgfältig durchgelesen und sich
dafür entschieden, Michelle zu seiner Assistentin zu
machen. Schnell und sorgfältig arbeitete sie sich in
sein Arbeitsgebiet ein, wobei ihr die drei Semester Jura,
die sie an der UCLA absolviert hatte, mehr als nützlich
waren. James und Michelle mussten viele Dienst-
reisen zu großen Firmen, in denen Durchsuchungen
stattfanden, gemeinsam antreten. Ihre Zusammenarbeit
klappte vorzüglich.
Auf diesen Reisen verbrachten sie und James viel Zeit
miteinander und führten lange Gespräche. Mehr und mehr
fühlte sich Michelle zu dem höflichen, weltoffenen und
interessierten Mann hingezogen. Während der Flug- bzw.
Bahnreisen erzählte sie ihm nach und nach mehr aus ihrem
Leben, als sie es je einem Kollegen gegenüber getan
hatte. Das ging weit über berufliche Themen hinaus. Er
erfuhr Einzelheiten aus ihrer Kindheit in Texas und sie
ließ ihn an den Familiengeschichten teilhaben, die
teilweise noch heute ein Schmunzeln auf ihr Gesicht
zauberten. Außerdem lernte er alle Einzelheiten über
ihren beruflichen Werdegang kennen.
Im Gegenzug erfuhr sie von James, wie er diverse
Stationen auf der Karriereleiter hinauf-
geklettert war. Neugierig, wie sie war, hatte Michelle
sich kurz nach seinem Dienstbeginn beim FBI seine
Personalakte angesehen. Die Beschreibung seiner Karriere
las sich wie eine Verkörperung des amerikanischen
Traumes. Allerdings gab es in seiner Personalakte eine
Seite, die Michelle ohne speziellen Zugangscode nicht
lesen durfte, weil sie den Vermerk classified
hatte. Soweit sie der Akte entnehmen konnte, handelte es
sich um die Gründe, warum James die Division
ziemlich plötzlich verlassen musste.
Über sein Privatleben hatte er bis jetzt noch nicht
gesprochen. Sie wusste nur, dass er aus den Südstaaten
stammte und mit Cathérine, einer in L.A. sehr
erfolgreichen Zahnärztin, verheiratet war.
Auf einer Dienstreise nach San Diego, die ziemlich
hektisch angesetzt werden musste, war es ihnen gelungen,
einen der größten Wirtschaftsbetrüger des Landes, den
das FBI schon lange im Visier hatte, dingfest zu machen.
Diesen Coup haben wir nur geschafft, weil sie mich
so perfekt unterstützt haben strahlte James
Michelle an, während sie das Polizeirevier verließen,
in dem sie spät am Abend noch die Einzelheiten ihrer
Aktion zu Protokoll gegeben hatten. Das muss
gefeiert werden. Gehen wir nachher zusammen essen und
trinken ein Glas Wein auf unseren Erfolg?
Gerne strahlte Michelle James aus ihren
großen braunen Augen an. Ich würde mich vorher
aber noch gerne frischmachen, es war ein langer Tag.
Natürlich sagte James. Als sie aus dem Taxi
stiegen und dem Hoteleingang zustrebten, sah James
Michelle freundlich von der Seite an. In einer
Stunde im Hotelrestaurant? Ist Ihnen das recht?
Aber natürlich antwortete Michelle lächelnd
und ging mit federnden Schritten auf den Hotel-Aufzug zu.
In ihrem geräumigen Zimmer angekommen, war sie froh,
endlich den Business-Hosenanzug ausziehen zu können.
Nachdem sie ausgiebig geduscht hatte,
stand Michelle grübelnd vor dem Kleiderschrank. Was
sollte sie nur zum Dinner anziehen? Das rote,
enganliegende Kleid betonte vorteilhaft ihre weiblichen
Formen aber war es nicht zu weit ausgeschnitten?
Das schwarze Kleid, das sie als Ersatz eingepackt hatte,
hatte einen Schlitz in der Seite und betonte vorteilhaft
Michelles Beine, war aber obenherum etwas züchtiger.
Michelle sah von einem zum anderen und griff dann
kurzentschlossen das schwarze Kleid und zog es an. Bis
jetzt war ihr nicht aufgefallen, dass James sie als Frau
und nicht als Mitarbeiterin sah warum sollte es
heute abend anders sein?
Punkt 19.00 Uhr betrat Michelle das Restaurant. Selbst
die Männer, die in Begleitung im Restaurant saßen,
drehten die Köpfe, als sie den Raum betrat. Das schwarze,
eng anliegende Cocktailkleid betonte ihre weiblichen
Kurven. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch die
schwarzen Mahnolo-Blahnik-Pumps an ihren Füßen, die,
zusammen mit dem Seitenschlitz in ihrem Kleid, ihre
langen schlanken Beine noch besonders zur Geltung
brachten. Als sie James Tisch erreicht hatte, sah sie das
erste Mal Bewunderung in James Augen. Er gab er ihr einen
Handkuss und rückte dann, ganz Gentleman, ihren Stuhl
zurecht. An diesem Abend erfuhr sie das erste Mal einiges
über den privaten James. Mit den Anekdoten aus seiner
Kindheit und Jugend brachte er sie mehr als einmal zum
Lachen. Zwar konnte sie den Blick nicht von seiner linken
Hand lösen, an der ein schmaler goldener Ring funkelte.
Als er aber ganz nebenbei in seine Erzählungen
einfließen ließ, dass seine Frau und er mehr oder
weniger nebeneinander her lebten und so gut wie gar keine
Gemeinsamkeiten mehr hatten, wurde ihr schlechtes
Gewissen in den Hintergrund gedrängt. Der teure Rotwein
stieg ihr zu Kopf, und so kam es, wie es kommen musste
diese Nacht verbrachte sie nicht allein in ihrem
Hotelzimmer.
Immer noch blind vor Tränen blickte Michelle in die
Schaufenster der teuren Boutiquen am Rodeo Drive,
allerdings, ohne etwas wahrzunehmen. Wie konnte sie
damals nur so dumm und blind vor Verliebtheit sein? Nach
diesem geschäftlichen Ausflug trafen James und sie sich,
so oft es ging, zu flüchtigen Schäferstündchen.
Während der Arbeitszeit achteten sie jedoch streng
darauf, ihre Beziehung nicht offensichtlich werden zu
lassen. Mehr als einen gelegentlichen, verstohlenen Kuss
zwischen Aktenschränken gab es nicht. Je länger ihre
Beziehung dauerte, desto mehr hoffte Michelle darauf,
dass James sich auch öffentlich zu ihr bekennen würde.
Als er sie eines Tages in sein Büro rief, um ihr zu
erzählen, dass ein Posten bei der CTU frei wäre und sie
fragte, ob sie diesen nicht übernehmen möchte, sah sie
ihn ziemlich verwirrt an. Das wäre doch
ideal sagte James zu ihr. Sobald Du nicht
mehr hier arbeitest, können wir uns endlich offen zu
unserer Liebe bekennen und ich trenne mich von meiner
Frau. Solange wir in derselben Abteilung arbeiten, würde
mein Ruf leiden und meine Karriere würde beschädigt.
Bitte denk über meinen Vorschlag nach.
Obwohl Michelle, als James ihr diesen Vorschlag machte,
ein seltsames Gefühl in der Magengrube verspürte,
überwand sie ihre Bedenken, nachdem sie eine Nacht
gegrübelt hatte, und stimmte zu.
Heute nachmittag hatte aber erst einmal ihre
Abschiedsparty stattgefunden, die für sie in einem
derartigen Fiasko geendet hatte. Voller Vorfreude war sie
an diesem Morgen ins Büro gekommen. Ab morgen, sobald
sie ihren neuen Job bei der CTU, der Anti-Terroreinheit,
angetreten hatte, könnten James und sie sich endlich
offen zu ihrer Liebe bekennen. Dann würde er sich auch
offiziell von seiner Ehefrau trennen und sie wäre die
Frau an seiner Seite.
Ein paar letzte Dinge waren auf ihrem Schreibtisch
aufzuarbeiten und an ihre Kollegen zu übergeben, dann
begann die große Abschiedsparty im Gemeinschaftsraum.
Ihre Kollegen hatten ihn mit bunten Luftballons, die an
langen Schnüren von der Decke hingen und Girlanden mit
dem Schriftzug Auf Wiedersehen geschmückt.
Auf den Tischen lagen weiße Papierdecken, auf die bunte
Smarties und Jelly Beans gestreut waren fast wie
bei einem Kindergeburtstag. Große Tabletts mit
Fingerfood, bestehend aus Wraps mit Putenbrust und
Lachshäppchen, waren aufgebaut. Zum Nachtisch konnte
sich jeder mit Muffins bedienen. Auch die waren mit
bunten Zuckerperlen verziert. Ganz rechts auf dem
größten Schreibtisch stand eine Popcornmaschine mit
freiem Zugang für jedermann.
Nach und nach trudelten die Kollegen ein und nahmen sich
ein Glas mit einem der bunten Cocktails. James schlug mit
einem kleinen Löffel kurz an sein Glas und rief:
Ich bitte um Aufmerksamkeit! Dann begann er
mit seiner Rede, in der er auf die Jahre zurückblickte,
die Michelle beim FBI verbracht hatte. So manche Anekdote
gab er zum Besten, die für viel Gelächter sorgte. Als
er mit der Rede fertig war, holte er aus einer Schublade
einen großen Blumenstrauß mit bunten Sommerblumen,
Michelles Lieblingsblumen, hervor, gab ihr einen kleinen
Kuss auf die Wange und wünschte ihr alles Gute. Bei
angeregten Gesprächen verging die Zeit wie im Fluge, und
der Alkoholspiegel stieg merklich. Nur Michelle blieb bei
Wasser, da sie hoffte, dass der Abend mit James zusammen
enden würde. Sie ging von einem Kollegen zum anderen, um
sich mit persönlichen Worten zu verabschieden. Nach
einer Weile fiel ihr auf, dass James und sein bester
Freund und Lieblingskollege, Larry nirgends zu sehen
waren, verdrängte diese Beobachtung aber schnell wieder,
da Francis sie ansprach.
Einige Minuten später fiel Michelle ein, dass sie den
Blumenstrauss endlich in eine Vase stellen sollte. Auf
dem Weg in die angrenzende Küche sah sie Licht in James
Büro brennen. Gut, dann könnte sie ihn gleich fragen,
wann sie beide die Party verlassen wollten. Als sie sich
der Tür näherte, hörte sie leise Stimmen.
Natürlich rauchen Larry und James bestimmt
zusammen eine ihrer heißgeliebten Zigarren
schmunzelte Michelle in sich hinein. Sie wollte gerade
einen weiteren Schritt vorwärts machen, als ihr das, was
sie hörte, das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie
hörte Larry, der mit seiner tiefen, dunklen Stimme sagte:
Ich hatte schon Angst, es käme zur gleichen
Katastrophe wie bei der Division. Noch einen
Aktenvermerk wegen sexuellen Kontakts mit Untergebenen
kannst Du Dir nicht leisten, dann geht Deine Karriere den
Bach herunter. Aber diese Dame bist Du ja diesmal auf
elegante Art und Weise losgeworden. Sie wird Dich
bestimmt nicht anzeigen wie dieses blonde Gift bei der
Division, wie hieß es noch gleich?
Patricia, Larry, Patricia. Der Schreck von damals
steckt mir immer noch in den Gliedern. Nachdem diese
dumme Kuh mich auf dem Betriebsfest mit Claudia knutschen
sah, musste sie doch tatsächlich zu Bill Buchanan laufen
und mich anschwärzen. Na, wenigstens wurde sie danach
fristlos entlassen. antwortete James und nahm einen
tiefen Zug aus der Zigarre. Aber Du bekamst den
Aktenvermerk und wurdes zum FBI strafversetzt. Ich
erinnere mich noch sehr gut an alle Einzelheiten
erwiderte Larry. Umso froher bin ich, dass Deine
derzeitige Liaison glimpflicher auszugehen scheint.
Dafür habe ich schon gesorgt grinste James.
Michelle vertraut mir hundertprozentig und würde nie
etwas hinter meinem Rücken tun. Nachdem ich sie endlich
zur CTU weggelobt habe, werde ich unsere Beziehung
langsam auslaufen lassen. Das ist besonders wichtig, da
Cathérine endlich schwanger geworden ist. Wir freuen uns
schon riesig auf unser erstes Kind, das in ungefähr 6
Monaten zur Welt kommen wird.
Michelle wollte nicht glauben, was sie da eben gehört
hatte. Sollte sie sich so getäuscht haben? Hatte sie
einem Mann vertraut, der sie nur benutzt hatte? Ihr
erster Impuls war, die Tür weit aufzureißen und in das
Büro zu stürmen. Dann fing sie am ganzen Körper an zu
zittern, und die Tränen stiegen heiß in ihre Augen. Sie
hielt ihren Blumenstrauss ganz fest, lief blitzschnell in
ihr dunkles Büro, nahm ihre Handtasche und ihren Mantel
und lief mit weichen Knien die Treppe des Bürogebäudes
herunter.
Nun stolperte sie hier über den Rodeo Drive,
nichtsahnend, wohin sie eigentlich wollte.
In diesem Augenblick fuhr ein Taxi dicht am Bürgersteig
vorbei. Ein Schwall Wasser spritzte hoch und durchnässte
ihren Mantel. Ihr wurde noch kälter, sozusagen eiskalt.
In dem Moment erblickte sie das kleine, lilafarbene
Schild Roxybar. Hier hatte sie nach der
Arbeit so manche Happy Hour verbracht und Jim, dem
Barkeeper, einige ihrer Sorgen anvertraut.
Das war es, was sie jetzt brauchte, ein heißes Getränk
und ein bisschen Zuspruch. Sie öffnete die schwere
Holztür zum Lokal. Heiße Luft, laute Musik,
Zigarrenrauch und Stimmengewirr schlugen ihr entgegen.
Gott sei Dank, an der Bar, genau Jim gegenüber, war noch
ein Hocker frei. Michelle strich sich die wirren Locken
aus dem Gesicht und kletterte auf den Hocker. Jim sah sie
und kam auf sie zu. Sofort rief er aus: Um Gottes
willen, wer hat Dich denn so zugerichtet? Ich
mich selbst murmelte Michelle. Hast Du einen
schönen heißen Grog für mich?
Selbstverständlich, Süße, aber zuerst gebe ich
Dir mal ein paar trockene Tücher. Im Waschraum findest
Du, wie immer, auch einen Föhn. Danke
schniefte Michelle und ging mit schnellen, festen
Schritten durch die entsprechende Tür. Im Spiegel sah
ihr ein schneeweißes Gesicht entgegen, dessen
Oberfläche von dünnen schwarzen Streifen mit
Wimperntusche durchzogen war. Zuerst säuberte sie ihr
Gesicht, trocknete mit dem Föhn ihren Mantel, dann ihre
Haare. Nachdem sie noch ein bisschen Makeup und Rouge
aufgetragen und ihre Lippen ausgemalt hatte, sah sie
wieder so zivilisiert aus, dass sie sich unter Menschen
wagen mochte.
Als sie erneut auf den Barhocker geklettert war,
lächelte Jim sie freundlich an und stellte heißen,
dampfenden Grog vor sich hin. Probleme, Süße?
fragte er. Michelle nickte nur kurz. Im Augenblick
mag ich nicht darüber sprechen. Ok, dann
genieß Deinen Grog. Nachdem Michelle zwei große
Schlucke des Getränks genossen hatte, spürte sie, wie
sich eine an-
genehme Wärme in ihrem Körper ausbreitete. Als sie in
den Spiegel hinter der Bar blickte, sah sie auf eine Mann
mit dunklen Locken und großen braunen Augen, dessen
Gesicht von einem 3-Tage-Bart umrahmt wurde. Irgendwie
kam ihr dieses Gesicht bekannt vor, deshalb sah Michelle
ein bisschen genauer hin. Plötzlich zuckte sie zusammen,
denn eine leise Stimme hauchte in ihr Ohr: Und ....
gefällt Ihnen, was sie da sehen? Empört rückte
Michelle ein Stückchen zur linken Seite und fauchte:
Nicht besonders .... ich dachte nur, ich kenne sie
von irgendwoher. Kreative Anmache
grinste ihr Nebenmann frech. Darf ich sie zu einem
weiteren Drink einladen? Nein, danke,
schnappte Michelle und beschäftigte sich in den
nächsten Minuten angelegentlich und schweigend mit ihrem
Drink. Ihr Nebenmann hatte den Kopf in seine rechte Hand
gestützt und beobachtete sie weiterhin von der Seite.
Als Michelle ihr Getränk geleert hatte, sagte der fremde
Mann an ihrer Seite freundlich: Immer noch böse?
Oder darf ich diesmal doch den Drink spendieren?
Dabei sah er sie mit seinen großen braunen Augen
eindringlich an. Diese Augen hatten einen derart
warmherzigen Ausdruck, dass Michelle sofort ein Gefühl
der Geborgenheit empfang. Wie konnte das sein, bei einem
ihr völlig Fremden? Leise antwortete sie: Ich bin
nicht böse, ich hatte heute nur einen schrecklich
enttäuschenden Tag. Im Moment bin ich auf die männliche
Spezies im Allgemeinen nicht so gut zu sprechen. Also gut,
der nächste Drink geht auf sie. Dann kann
ich nur versuchen, das, was ein anderer Mann bei Ihnen
angerichtet hat, wieder gutzumachen." Der Fremde
lächelte ihr aufmunternd zu. Als beide ihren Drink vor
sich stehen hatte, stießen sie mit ihren Gläsern an und
Michelles Sitznachbar sagte: Ich heiße Tony.
Michelle antwortete sie. Ein schöner
Name. Haben Sie französische Vorfahren?
Bald waren die beiden in ein angeregtes Gespräch
vertieft. Nie im Leben hätte Michelle gedacht, dass sie
sich am heutigen Tag noch einmal so wohlfühlen würde.
Der fremde Tony brachte sie mit seinen Erzählungen
ungewollt zum Lachen selbst in ihrer momentanen
Seelenverfassung. Seine Augen beobachteten sie aufmerksam
manchmal hatte sie das Gefühl, sie könnten auf
den Grund ihrer Seele sehen. Es war jedoch kein
unangenehmes Gefühl, eher eine totale Vertrautheit. Nach
mehr als einer Stunde sagte Michelle, die nicht mehr ganz
standfest war: Ich muss jetzt nach Hause. Morgen
habe ich den ersten Tag in meinem neuen Job da
sollte ich besser ausgeschlafen auftauchen.
Mir geht es genauso antwortete Tony,
der morgige Arbeitstag wird wieder mehr als
anstrengend. Augenblick, ich bringe sie nach draußen zum
Taxi. Noch immer regnete es stark, und sehr viele
Taxen fuhren vorbei, weil sie vollbesetzt waren. Endlich,
nach einer endlosen Viertelstunde, hielt eines vor der
Bar. Kommen Sie, ich nehme sie mit, sonst kommen
sie heute ja gar nicht mehr nach Hause lächelte
Michelle. Sie setzten sich beide auf die Rückbank. Bis
nach Santa Monica würde es noch eine ziemlich weite
Fahrt werden. Während Michelle müde aus dem Fenster
blickte, merkte sie nach einer Weile, dass Tony mit
seiner rechten Hand ihre linke Hand fest umfasste. Es war
ein angenehmes Gefühl, und darum ließ Michelle ihre
Hand in seiner liegen. Außerdem war sie viel zu müde,
um noch groß zu protestieren. Als das Taxi vor ihrer
Wohnung hielt, stieg Tony aus, um sie sicher zur Haustür
zu bringen. Er sah Michelle an und sagte: Es war
schön, Dich kennengelernt zu haben. Mir geht
es genauso lächelte Michelle. Plötzlich hatte sie
den großen und unüberwindlichen Wunsch, heute nacht
nicht alleine einzuschlafen. Schüchtern sah sie ihn an
und fragte: Willst du bei mir bleiben?
Tony nickte, bezahlte den Taxifahrer und gemeinsam
betraten sie Michelles Wohnung.
Grelles Sonnenlicht fiel ins Schlafzimmer, trotz der
heruntergezogenen Jalousie. Ruckartig wurde Michelle wach
und sah auf den Wecker. Nur noch 1 ½ Stunden, bis sie
ihren Job bei der CTU antreten musste! Warum nur hatte
der verdammte Wecker nicht geklingelt?
Als Michelle sich aufsetzte, stöhnte sie leise auf, so
stark schmerzte ihr Schädel. Leise, beständige
Schnarchlaute ließen sie zur Seite blicken. Schlagartig
fielen ihr der gestrige Tag und besonders der gestrige
Abend wieder ein. Nur an die darauffolgende Nacht konnte
sie sich nicht im mindesten erinnern. Auf jeden Fall lag
neben ihr im Bett ein schlanker, durch-
trainierter Mann mit Waschbrettbauch, der einen seiner
muskulösen Arme über sein Ge-
sicht gelegt hatte, so dass nur seine lockigen braunen
Haare hervorsahen. Um Gottes Willen, was war letzte Nacht
passiert? Noch nie hatte sie einen wildfremden Mann mit
nach Hause genommen. Hektisch rüttelte sie ihren
Bettnachbarn. Was ist denn los, Schätzchen?
Schlaftrunken öffnete dieser die Augen. Du musst
sofort aufstehen und Dir ein Taxi rufen, ich muss in 1 ½
Stunden bei der Arbeit sein. Bekomme ich
nicht wenigstens Frühstück bei Dir? Ihr
Gegenüber sah sie mit großen braunen Augen an.
Tut mir leid, Du musst so schnell wie möglich
gehen, sonst komme ich an meinem ersten Tag zu spät zum
Job. Widerwillig sprang Tony auf, zog seine
Kleidung an und rief sich ein Taxi. Er streichelte
Michelles Wange. Werden wir uns denn wenigstens
wiedersehen? Ich weiß nicht, stotterte
sie verlegen, weißt Du, ich habe noch nie einen
wildfremden Mann... Ich verstehe. Tony
sah zu Boden. Falls Du es dir noch anders überlegt,
ich lasse Dir einen Zettel mit meiner Handynummer hier.
Mit diesen Worten ging Tony zur Haustür. Puh,
gerade noch einmal gutgegangen seufzte Michelle,
nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war und rannte
zur Dusche. Auf dem Weg zur Garage schnappte sie sich
dann noch ein Croissant und einen Becher Kaffee. Das
musste als Frühstück während der Fahrt reichen.
Gott sei Dank erreichte sie das Regierungsgebäude gerade
noch zur rechten Zeit. Sie parkte ihren SUV in der
Tiefgarage und ging zum Empfang, wo ihr ein
Berechtigungsausweis ausgestellt wurde. Sie durchquerte
den langen Korridor zur CTU und ging am Waffenarsenal
vorbei, vor dem einige Männer standen und sich
kugelsichere Westen anlegten. Sie fragte einen blonden
Mann mit konzentriertem, ernstem Gesichtsausdruck:
Können Sie mir bitte sagen, wo ich Jack Bauer
finde? Mein Name ist Michelle Dessler. Ich bin neu hier
und soll mich bei ihm melden. Ich bin Jack
Bauer erwiderte ihr Gegenüber. Es tut mir
leid, wie Sie sehen, haben wir etwas Dringendes außer
Haus zu erledigen, deshalb kann ich mich im Moment nicht
um sie kümmern. Dann rief er laut: Janet?
Es erschien eine junge Frau mit langen blonden Haaren.
Janet wird sie zu meinem Stellvertreter bringen,
der wird Ihnen alles erklären bis später dann.
Mit diesen Worten hastete Jack, zusammen mit seinem
Kameraden, zu den in der Garage stehenden Autos.
Kommen Sie bitte, Miss Dessler, hier entlang
lächelte Janet freundlich. Dort vorne, am Tisch Nr.
3, arbeitet Jacks Stellvertreter.
Michelle sah nur den Hinterkopf eines Mannes, der
konzentriert an einem Computer arbeitete. Janet sprach
ihn an: Mr. Almeida, hier ist unsere neue
Mitarbeiterin, Miss Dessler. Da Jack plötzlich zu einem
Feldeinsatz musste, bittet er sie, sie einzuarbeiten.
Der Mann dreht sich mitsamt seinem Schreibtischstuhl um,
und in diesem Moment hatte Michelle das Gefühl, ihr Herz
würde aussetzen. Sie blickte in ein paar große braune
Augen in einem Gesicht, das von dunklen Locken und einem
3-Tage-Bart umrahmt war. Auch in diesen Augen konnte man
Überraschung erkennen. Ihr Gegenüber hatte sich aber
schnell wieder gefasst. Tony Almeida sagte er
in neutralem Ton. Sehr erfreut, sie kennenzulernen.
Michelle schluckte, räusperte sich verlegen und sagte
mechanisch Michelle Dessler. Tony stand auf.
Danke Janet, ich werde jetzt übernehmen und Miss
Dessler den anderen vorstellen. An Michelle gewandt,
sagte er:Wir gehen erst einmal in Raum 2. Als
sie alleine in dem langen Korridor waren, grinste Tony
und sagte: Es tut mir leid, dass ich heute nicht
gepflegter angezogen bin, aber ich musste mich nach dem
Aufwachen sehr schnell auf den Weg machen. Michelle
wurde knallrot und blickte zu Boden. Das ist mir
jetzt alles aber sehr peinlich. Vor allen Dingen weiß
ich immer noch nicht, was letzte Nacht passiert ist.
Waren wir beide .... ich meine, haben wir etwa?
stotterte sie verlegen. Das überlasse ich Deiner
Fantasie lächelte Tony sie an, legte seine Hand
auf ihren Rücken und schob sie in Raum Nr. 2, um sie
weiteren Kollegen vorzustellen.
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