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Der Silberstreif am Horizont
by Hoppel

Verwendete Wettbewerbsvorgaben:

Beast
· (Nach S 3)
Tony im Knast.

TonysGirl
· (zwischen Season 2 und 3)
Tony und Michelle heiraten.

Schusy
· (zwischen Season 3 und 4)
Jack tritt seine neue Tätigkeit im Verteidigungsministerium in Washington an und trifft dort zum ersten Mal auf Audrey. Was passiert?

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Ungeduldig stand der Bräutigam am Altar der kleinen Kirche, die auf einem Felsen hoch über den schäumenden Wellen des Atlantiks lag. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen. Er hatte keinen Blick mehr für die kleinen Blumensträuße aus rosa Rosen und süß duftenden Maiglöckchen, die die Kirchenbänke und den Altarraum schmückten. Er sah nur mit starrem Blick auf die Kirchentür und überprüfte zwischendurch immer wieder unruhig den Sitz seiner eleganten, grau-schwarz gestreiften Krawatte. Sein Trauzeuge, der die Schachtel mit den Eheringen in seiner rechten Hand hielt, zischte ihm zu: „Wann kommt sie denn nun endlich? Mein enger Hemdkragen und die unerträgliche Hitze bringen mich gleich um. Ich trage lieber stundenlang meine schuss-sichere Weste als dieses mörderische Ding hier, dazu noch mit einer Fliege! Wenn ich jetzt ohnmächtig werde, kannst du unter die Kirchenbänke kriechen, um die Eheringe zu suchen.“ „Du hast doch schon ganz andere Dinge überstanden, Jack, also jammere nicht“ grinste der Bräutigam, dessen Blick jetzt wie magisch nochmals von der Kirchentür angezogen wurde, die sich wie von Geisterhand öffnete. Es erschien am Arm ihres Vaters die lieblichste Braut, die er jemals gesehen hatte. Ihr feingeschnittenes rundes Gesicht mit großen braunen Augen wurde von ebenfalls braunen Locken umrahmt, die von einem duftigen, gewellten Schleier gehalten wurden. Ein weißes Kleid aus Brüsseler Spitze betonte ihre schlanke und gleichzeitig weibliche Figur. Sie schritt zum Klang der Kirchenglocken den Gang entlang durch den Altarraum auf ihn zu. Der Bräutigam wollte seinem Trauzeugen gerade stolz und glücklich zulächeln, als sich dessen Gesicht plötzlich in die verzerrte Fratze von Stephen Saunders verwandelte. Entsetzt fuhr der Bräutigam zusammen, zumal der liebliche Klang der Glocken jetzt auch noch einem schrille Sirenengeheul glich, das zu einem entsetzlichen Kreischen anschwoll.

Schweißgebadet und völlig benommen erwachte Tony aus seinem Traum. Er zitterte am ganzen Körper und hatte Mühe, nicht von seiner harten und schmalen Gefängnispritsche zu fallen. Schlaftrunken öffnete er seine verklebten Augen. Das Geheule der Gefängnissirene, das jeden Morgen pünktlich um 7.00 Uhr einsetzte, um auch noch den letzten Gefangenen unsanft aus dem Schlaf zu reißen, gellte wie immer in seinen Ohren.
Da, endlich war der Lärm vorbei. Vorsichtig setzte Tony sich auf den Rand seiner verschlissenen Matratze. Leichter Schwindel erfasste ihn, der aber schnell wieder vorbeiging. Missmutig schlüfte er in seine viel zu großen Filzpantoffeln. Da es ihm zu mühsam erschien, sich ohne Spiegel zu rasieren, umrahmte inzwischen ein stattlicher, dunkelbrauner Vollbart sein hageres, eingefallenes Gesicht, das von zwei großen braunen Augen beherrscht wurde, unter denen tiefe Schatten lagen. Während er sich mit seiner Morgentoilette beschäftigte, ließ er seinen Traum noch einmal Revue passieren. Er wusste, dass es ein Fehler war, sich wieder und wieder mit den Zeiten zu beschäftigen, als er noch glücklich gewesen war, aber er konnte die Gedanken, die in seinem Kopf umherwirbelten, nicht zum Stillstand bringen. Die Hochzeit mit Michelle war einer der schönsten Tage in seinem Leben gewesen. Jack, der inzwischen sein bester Freund geworden war, hatte sich bereiterklärt, den Trauzeugen für ihn zu spielen, und nachdem er sich an dem Tag daran gewöhnt hatte, in elegantem Outfit statt in praktischer Agentenkleidung herumlaufen zu müssen, hatten er und die anderen CTU-Kollegen einen Großteil dazu beigetragen, diesen Tag für ihn und Michelle unvergesslich zu machen. Es war sicher kein Nachteil, dass die neue, immer etwas merkwürdig gelaunte Kollegin damals noch nicht zur CTU gehörte.
Glücklicher als er hatte damals kaum jemand sein können. Doch für diese Glück hatte er einen hohen Preis bezahlen müssen. Um das Leben seiner Frau zu retten, war er gezwungen, einem Terroristen zu helfen und damit Landesverrat zu begehen.. Die glücklichen Zeiten waren für ihn ein für allemal vorbei. Nun saß er in dieser Einzelzelle, die er nur zum Arbeiten in der Wäscherei und für ein halbstündiges tägliches Fitness-Training verlassen durfte und wartete auf seine Hinrichtung, die in einer Woche stattfinden sollte.. Auf Landesverrat steht in den Vereinigten Staaten unabänderlich die Todesstrafe. So würde Tony seine geliebte Michelle nie mehr wiedersehen, denn er weigerte sich, Besucher im Gefängnis zu empfangen. Niemand sollte ihn in diesem unwürdigen Zustand sehen, nicht seine Kollegen von der CTU, sein Bruder und seine Schwester und vor allen Dingen nicht die große Liebe seines Lebens.Sie sollte ihn als ihren liebevollen Ehemann in Erinnerung behalten, der immer sein Möglichstes getan hatte um sie zu beschützen und Schaden von ihr abzuwenden. Das Beste wäre, sie würde ihn aus ihrem Leben streichen und versuchen, ein neues Glück zu finden.

Einen ganz kleinen Silberstreif am Horizont gab es für Tony allerdings noch. Sein Anwalt hatte darauf bestanden, beim Gouverneur des Staates Kalifornien ein Gnadengesuch für ihn einzureichen. Sollte er begnadigt werden, würde man die Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe umwandeln. Tony lachte bitter auf: „Dann bin ich statt tot begraben eben lebendig begraben – was für ein grandioser Unterschied.“ Mit diesen Worten ging er zur Tür seiner Zelle, durch deren Schlitz jemand gerade eben sein Frühstück geschoben hatte: einen Becher mit einer undefinierbaren, braunen Flüssigkeit, die man hier „Kaffee“ nannte, eine Scheibe Graubrot, etwas fettige Margarine und den rötlich gefärbten Klecks einer Pampe, die wahrscheinlich unter dem Namen „Marmelade“ fungierte. Er trank die Flüssigkeit aus dem Becher, schob aber das Essen angewidert von sich. Er hatte zwar in seiner Haftzeit weniger Bewegung als früher.Die Gefahr, dass er übergewichtig wurde, bestand allerdings nicht.. Sobald er das Essen hier auch nur ansah, verkrampfte sich sein Magen.
Während Tony mühselig den unbequemen, orangefarbenen Gefängnisoverall anzog, blickte er durch die Gitterstäbe aus dem kleinen Fenster seiner Zelle.
Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen Himmel. Die wenigen Bäume auf dem Gefängnishof standen in voller Blüte und reckten ihre Äste nach oben. Tony freute sich schon darauf, bei seiner Joggingrunde in der Mittagspause ein wenig frische Luft zu atmen. Die beiden Gefängnisaufseher, die ihn, den Schwerverbrecher, dabei bewachen mussten, hatten jedesmal Mühe, mit seinem Tempo mitzuhalten.
Plötzlich klopfte es an seine Zellentür und jemand rief: „Almeida, bist du soweit?“ Als er mit belegter Stimme ein „Ja“ zurückgerufen hatte, wurde die Tür aufgeschlossen und zwei Gefängniswärter erschienen. Einer von ihnen richtete sofort sein Gewehr auf Tony, während der andere die Fußfessel in der Hand hatte, die er Tony jetzt umständlich anlegte. „Abmarsch in die Wäscherei, ein bisschen dalli!“. Mit mürrischem Gesicht schlurfte Tony zwischen den beiden über den Gefängnisflur. Hier im Hochsicherheitstrakt bekam er niemals andere Gefangene zu Gesicht. Lediglich bei seiner Arbeit in der Wäscherei sah er einige seiner Mitgefangenen. Es war ihm aber untersagt, mit ihnen zu reden. Als Schwerverbrecher wurde er bei seiner Arbeit schwerer bewacht als die anderen.
Als er den Wäscheraum betrat, schlug ihm schon die stickige, feucht-heiße Luft entgegen, die von den riesigen Waschmaschinen und Wäschetrocknern ausging. Langsam und mühselig, durch die Fußfessel behindert, bewegte er sich zu seinem üblichen Arbeitsplatz, an dem er in den nächsten drei Stunden stehen und Laken und Bettbezüge durch die Mangel drehen und zusammenlegen musste. Er wusste, schon nach spätestens einer halben Stunde würde ihm der Schweiß auf der Stirn stehen. Während er seiner Arbeit nachging, ging ihm wieder und wieder sein Traum durch den Kopf. Er wollte sich diese rührseligen Gedanken verbieten, aber seine Seele spielte ihm einen Streich. In Gedanken sah er sich und Michelle bei ihrem Hochzeits-Walzer, bei dem er – es geschehen noch Zeichen und Wunder – nicht auf ihre Füße getreten war.
Er schrak aus seinen Gedanken: „Almeida, sofort zum Gefängnisdirektor!“ bellte der Wärter mit dem runden, teigigen Gesicht und dem dumpfen Gesichtsausdruck ihn an und schob ihm sein Gewehr drohend in den Rücken. Zu dritt verließen sie den Sicherheitstrakt und bogen rechts ab in den Gang zum Büro des Gefängnisdirektors. Tony wurde durch die Tür geschoben und die beiden Wärter bauten sich rechts und links von ihm auf. Mr. Howard, der Gefängnisdirektor, ein schlanker Mann, dessen Gesichtszüge an die eines Raubvogels erinnerten, machte sich nicht einmal die Mühe, aufzublicken, als er sagte: „Almeida, Ihr Anwalt hat mich informiert, dass Sie ein Gnadengesuch bei dem Gouverneur des Staates Kalifornien eingereicht haben. Die Antwort wurde direkt an mich geschickt. Ihr Gesuch wurde, wie zu erwarten, abgelehnt. Wegtreten.“
Tonys Gesicht zeigte keine Regung. Er dreht sich um und humpelte mühsam in die Wäscherei zurück.
Nun war ihm auch die letzte Hoffnung genommen worden. Wie hätte es auch anders sein können.
Mechanisch erledigte er seine Arbeit. Nachdem man ihn in die Zelle zurückgebracht hatte, legte er sich auf seine harte Pritsche und drehte sein Gesicht zur Wand. Vor seinem inneren Auge erschien wieder das liebliche Gesicht von Michelle. Ob ihr Gesicht wohl das letzte sein wird, was ich vor meinem Tod vor Augen haben werde?
Tony wusste nicht, wie lange er so reglos gelegen hatte, als erneut Fäuste an seine Tür donnerten und die Zellentür mit laut klappernden Schlüsseln aufgeschlossen wurde. Wieder erschienen seine beiden „Beschützer“ „Almeida, du hast Besuch!“ Tony setzte sich langsam auf und antwortete: „Ich möchte niemanden sehen, deswegen habe ich doch extra niemanden auf meine Besucherliste setzen lassen.“ „Es ist kein Privatbesuch,, sondern jemand von der Regierung, der dich sprechen möchte.“ „Jemand von der Regierung? Mich? Die sind doch alle froh, dass sie mich weggesperrt haben!“ „Nun komm schon, Beeilung.“ Tonys Wärter betraten mit ihm zusammen den Besucherraum und bauten sich wieder rechts und links von ihm auf. Von draußen fiel gleißendes Licht in den Raum, so dass Tonys heftig blinzeln musste, bevor er etwas erkannte. An der Glasscheibe ihm gegenüber stand ein Mann mit blonden Haaren und einem ihm wohlbekannten Gesicht. Als Tony ihn erkannte, blickte er beschämt zu Boden. Der Mann sah den Sicherheitsbeamten, der ihn in den Besucherraum geleitet hatte, verächtlich an und sagte: „Ich verlange, dass sie Mr. Almeida sofort die Fußfessel abnehmen und ihm eine Sitzgelegenheit bringen.“ „Aber die Vorschriften besagen ...“ „Die Vorschriften interessieren mich nicht. Wenn Sie nicht sofort das tun, was ich Ihnen sage, können Sie Ihre nächste Beförderung vergessen.“ Der Sicherheitsbeamte nickte den beiden Wärtern zu, die Tony die Fußfessel abnahmen und ihm einen Stuhl vor den Glasscheibe und die Sprechanlage stellten.
„Tony“ .... das war das Einzige, was Jack über die Sprechanlage herausbringen konnte, als er seinen besten Freund in diesem elenden Zustand vor sich sah. „Jack“ – Tony sah verlegen an ihm vorbei „Du hättest nicht hierherkommen sollen. Es wäre für Dich und mich besser gewesen.“ „Ich habe es nicht ausgehalten, Tony, ich musste sehen, wie es Dir geht.“ „Wieso wurde mir gesagt, dass jemand von der Regierung mich sprechen wollte, Jack?“ „Tony, Erin Driscoll hat mich entlassen. Ich war ihr als Agent, nachdem meine überstandene Heroinsucht bekannt wurde, zu unsicher geworden. Ich habe einen neuen Job beim Verteidigungsministerium gefunden. Heute ist mein erster Arbeitstag, aber vorher wollte ich unbedingt noch zu Dir. Denn meine geheimen Quellen haben mir verraten, dass Du beim Gouverneur ein Gnadengesuch eingereicht hast. Hast Du schon etwas davon gehört?“ „Vor einer Stunde hat der Gefängnisdirektor mir mitgeteilt, dass mein Gnadengesuch abgelehnt wurde. Meine Hinrichtung wird in einer Woche stattfinden.“ Wieder senkte Tony den Blick. Fassungslos starrte Jack ihn an „Das darf doch nicht wahr sein, nach allem, was Du für die Vereinigten Staaten getan hast. Du hast Dich sogar mit einer schweren Verletzung zur Arbeit geschleppt, um Deinem Land zu helfen.“ „Tja, Jack, das zählt alles nicht mehr, wenn man einen einzigen Fehler gemacht hat.“ „Die zehn Minuten Besuchszeit sind um“ wurden sie vom Sicherheitsbeamten unterbrochen. Tony wurde an den Armen gepackt und einer der Wärter legte ihm die Fußfessel wieder um. Während er hinausbugsiert wurde, gelang es Jack gerade noch, ihm hinterherzurufen: „Ich hole Dich hier heraus, Tony, verlass Dich drauf - ich tue alles, was ich nur kann.“

Jack hastete zu seinem Jeep im Parkhaus des D.C. County Jail, setzte sich hinter das Steuer und fuhr mit quietschenden Reifen los. In ohnmächtiger Wut biss er die Zähne zusammen. Wie konnte die Regierung jemanden derart im Stich lassen, mit dessen Hilfe die Vereinigten Staaten vor so mancher Katastrophe bewahrt worden waren! Mit einer Zornesfalte auf der Stirn raste er den Highway entlang. Dann kam ihm eine Idee, und seine Gesichtszüge entspannten sich etwas. Er schaltete die Freisprecheinrichtung seines Handys ein und wählte eine Nummer. „Hallo?“ meldete sich eine sonore Männerstimme am anderen Ende der Leitung. „Hallo Mr. President, wie geht es Ihnen?“ –„Ex-Präsident, Jack, inzwischen Ex-Präsident. Ich muss zugeben, ich habe meine Schwierigkeiten, mich an meine neue Situation zu gewöhnen, aber ich habe in meinem Bruder eine großartige Hilfe dabei, mich im Privatleben wieder zurechtzufinden. Und wie geht es Ihnen, Jack? Ich habe von meinem Freund James Heller gehört, dass Sie die CTU verlassen haben und für ihn arbeiten werden?“ „Das stimmt, Mr. President, das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen gern einmal bei anderer Gelegenheit erzähle. Der Grund meines Anrufs ist mein Freund Tony Almeida. Sie wissen, dass er wegen Hochverrats verhaftet wurde, jetzt im Gefängnis sitzt und auf seine Hinrichtung wartet. Gerade eben habe ich bei einem Besuch von ihm erfahren, dass der Gouverneur das Gnadengesuch seines Anwalts abgelehnt hat.
Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass die Regierung keinen Finger krumm macht, um einem Ex-Agenten, der so viel für sein Land getan hat, zu helfen. Wären Sie in der Lage, irgendetwas zu tun?“ „Es ist gut, Jack, dass Sie mich informiert haben. Ich werde auf jeden Fall versuchen, meine Beziehungen spielen zu lassen. Sobald ich Näheres weiß, werde ich Sie informieren.“ „Danke, Mr. President.“ Mit diesen Worten schaltete Jack sein Handy aus und bog gleichzeitig auf den Parkplatz des Verteidigungsministeriums ein.
Nachdem er sein Auto abgestellt hatte, ging er mit federnden Schritten auf den Eingang des fünfeckigen Gebäudes zu und meldete sich am Empfang. „Hi, ich bin Caroline“ begrüßte ihn die freundliche Dame am Empfang. „Sie sind sicher Mr. Bauer, wir haben schon auf Sie gewartet. Herzlich willkommen! Es tut mir leid, aber zuerst müssen Sie einige Sicherheitsprozeduren über sich ergehen lassen.“ Kaum hatte Jack auf die freundliche Begrüßung geantwortet, wurde er schon in einen Nebenraum geführt. Dort machte man ein Foto von ihm, nahm seinen Fingerabdruck ab und stellte einen Sicherheitsausweis für ihn aus. „So, Mr. Bauer“ sagte Caroline“, mit diesem Ausweis und Ihrem Fingerabdruck kommen Sie problemlos in das Gebäude. Ihr Büro ist im zweiten….“ Sie hatte noch nicht ausgesprochen, als Jack schon in Richtung Fahrstuhl verschwunden war. „Ach Du liebe Zeit, mit dem werden wir ja noch unsere helle Freude haben“ seufzte Caroline ergeben und wandte sich ihrer liegengebliebenen Arbeit zu.
„Die Zimmernummer meines Büros steht doch auf dem Ausweis“ murmelte Jack leise vor sich hin. „Wenn die hier alle derart langsam denken und arbeiten, werde ich es nicht sehr lange in diesem Laden aushalten!“
Der große, mit vielen kleinen Lämpchen ausgestattete Fahrstuhl brachte ihn schnell in den zweiten Stock. Vorbei an mit edlem Teakholz getäfelten Decken und Wänden ging Jack zielstrebig auf sein Büro Nr. 247 zu. Von weitem sah er zu seiner Verwunderung, dass die Tür offenstand. Sein erster Impuls war, seine Waffe zu ziehen und sich vorsichtig an die geöffnete Tür anzuschleichen. Dann musste er über sich selbst lachen. „Ruhig, Jack, Du hast hier keine Waffe mehr bei Dir!“ Neugierig sah er um die Ecke.
Im Vorzimmer seines Büros saß eine junge Frau mit einer schwarzen, eckigen Brille auf der Nase, in das Lesen eines Dokumentes vertieft. Sie trug eine dunkelgrüne, elegante Seidenbluse und einen dazu passenden, schwarzen Bleistiftrock. Lange, glänzende, blonde Haare fielen auf ihre Schultern. Als sie hörte, dass sich Schritte näherten, blickte sie auf und Jack sah in die schönsten und freundlichsten grünen Augen, die er je gesehen hatte. Er hatte das Gefühl, sie könnte ihm auf den Grund der Seele blicken. „Ja, bitte?“ „Mein Name ist Jack Bauer, ich soll heute hier meinen neuen Job antreten.“ „Oh, herzlich willkommen Mr. Bauer. Mein Name ist Audrey Raines.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er gleich ergriff „Das finde ich ja weitsichtig, dass man mir gleich eine Sekretärin zur Verfügung gestellt hat“ strahlte Jack sie an, ging in sein Büro und warf seine Aktentasche mit Schwung auf einen bereitstehenden Sessel. „Dann seien Sie doch bitte so gut und bringen mir gleich einen Kaffee. Ich trinke ihn ohne Milch und Zucker. Danach verbinden Sie mich bitte mit Secretary Heller. Er bat darum, dass ich mich gleich bei ihm melde, sobald ich in meinem Büro angekommen bin.“ „Ok, das mit dem Kaffee wird aber noch ein bisschen dauern, ich muss mich erst mit der Kaffeemaschine vertraut machen.“ „Anscheinend auch ein Neuling“ murmelte Jack und startete seinen Computer. Ein paar Minuten später stellte Mrs. Raines ihm den Kaffee auf den Tisch und ging gerade in ihr Vorzimmer zurück, als sich die Tür öffnete. „Audrey, Liebes, da bist Du ja. Schön, dass Du Dich aus Deinem Meeting loseisen konntest, um Mr. Bauer kennenzulernen.“ – „Kein Problem, Dad.“
Jack, der die Worte im Nebenzimmer mitgehört hatte, gefror das Blut fast in den Adern. Du liebe Zeit, da war er ja schon in den ersten Minuten in seinem neuen Job ins Fettnäpfchen getreten! Inzwischen hatte James Heller sein Büro betreten und kam auf ihn zu. „Herzlich willkommen in meinem Reich, Mr. Bauer – oder darf ich Jack sagen?“ „Selbstverständlich, Mr. Secretary“ brachte Jack mit zugeschnürter Kehle heraus. Er wagte es kaum, zur Tür zu blicken, in deren Rahmen Audrey Raines inzwischen stand. James Heller zeigte auf sie und strahlte: „Ich nehme an, Sie haben meine Tochter schon kennengelernt.“ Jack nickte nur mit rotem Kopf. Audrey zwinkerte ihm zu und antwortete: „Richtig, Dad, wir haben uns schon miteinander bekannt gemacht.“ In dem Moment klingelte Mr. Hellers Telefon. Nachdem er sich gemeldet hatte, sagte: „In Ordnung, Marcia, ich komme kurz in mein Büro, um den Brief zu unterschreiben.“ Zu Audrey und Jack gewandt, meinte er: „Entschuldigung, ich bin sofort wieder da.“ Als er das Büro verlassen hatte, fuhr sich Jack verlegen mit der Hand durch die Haare und sah Audrey an: „Da ist jetzt wohl von meiner Seite eine Entschuldigung fällig. Ich war mal wieder etwas voreilig. Es tut mir wirklich leid.“ Betreten sah er danach zu Boden. „Das ist kein Problem, Mr. Bauer, sie konnten nicht wissen, wer ich wirklich bin. Dieser Irrtum wurde ja auch schnell aufgeklärt.“ Mit einem freundlichen, warmherzigen Lächeln sah Audrey ihn an. Jack wurde es trotz seiner Verlegenheit warm ums Herz. Schnell sagte er: „Ich möchte mein unmögliches Verhalten aber trotzdem irgendwie wieder gutmachen. Im Moment wohne ich noch im „Westin-Hotel“. Könnten Sie sich vorstellen, dort in der Bar heute abend um 20.00 Uhr mit mir ein Glas Wein zu trinken?“ „Was für ein Zufall! Nach der Trennung von meinem Mann habe ich mich dort auch eingemietet. Ich trinke gerne den Wein mit Ihnen, vorausgesetzt, ich muss ihn nicht servieren“ lachte Audrey. „Wir sehen uns dann heute abend um 20.00 Uhr. Bis dann!“ „Bis dann“ antwortete Jack mit belegter Stimme. „Übrigens – Ihr Kaffee schmeckte ausgezeichnet!“ Er sah ihr nach, wie sie mit elegantem Hüftschwung sein Büro verließ. Selten hatte er sich so auf seinen Feierabend gefreut wie heute.

         
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