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Angesicht des Todes by Sven 1421 Anmerkung: Die Story spiegelt teilweise eigene Gedanken wieder, die ich am Vortag bei der Beerdigung meines Onkels hatte! Ihm und seinem Andenken in den Herzen seiner Lieben widme ich die Geschichte! Möge er in Frieden ruhen! Gewidmet meinem Onkel Helmut Krause --- VORSPIEL Es war ein heißer Tag in Los Angeles. Auf dem Friedhof stand eine Ansammlung von Menschen um ein offenes Grab herum. Vor dem Grab ruhte auf einem Podest ein schwerer Eichensarg, über den das Sternenbanner gelegt war. Ein letzter Gruß der Heimat an einen gefallenen Helden. Unweit von dieser Stätte entfernt wohnte in der dichten Krone eines Baumes ein Mann mit Sonnenbrille der Trauerfeier aus sicherer Entfernung bei. Den Zeigefinger der rechten Hand hatte er an sein Ohr gelegt, während er zeitgleich - wie zu sich selbst - flüsterte: "Es ist soweit! Es geht los! Alles auf ... START!" David Palmer stand am Grabesrand und senkte sein Haupt. Seine Augen hatten einen glasigen Schimmer bekommen. Noch heute morgen, als er vorm Spiegel seinen schwarzen Anzug anzog und seine schwarz-blau gestreifte Krawatte richtete, hatte er in Gedanken die Befürchtung gehabt, er könne auf dieser Beerdigung gar nicht weinen. Jack Bauer war doch in Wirklichkeit gar nicht tot. Wie sollte er denn allen Ernstes glaubhaft um jemanden trauern, der noch lebte und eigentlich nur unter einem fremden Namen an einem unbekannten Ort untergetaucht war? Das ging doch nicht! Es hatte bis zu diesem Moment gedauert, um David vom Gegenteil zu überzeugen. Doch, es ging. Denn als die ergreifenden Worte des Redners endeten und die Kapelle "Amazing Grace" zu spielen begann, da wurde es ihm in seiner Seele nur allzu schmerzlich bewußt, daß es doch einen schweren Verlust gab und daß Jack Bauer doch tot war. Unwiederbringlich! Und er, sein Weggefährte und Freund, würde ihn in seinem ganzen Erdendasein nie mehr wiedersehen. Seine zittrige Hand zog das Einstecktuch aus der Brusttasche und wischte behutsam die Träne hinweg, die ihm an der Wange herunterlief. Warum nur mußte es soweit kommen? Aber der Lauf der Dinge hatte Jack und auch ihm einfach keine andere Wahl gelassen. Es hatte nur eine Möglichkeit gegeben, die heimtückische Ermordung Jack Bauers zu verhindern - dessen vorgetäuschten Tod. Vorsichtig erhob David seinen Blick wieder und sah sich um. Ihm gegenüber, nur durch das offene Grab getrennt standen Audrey Raines und Kim Bauer, die sich gegenseitig stützten und dadurch den nötigen Halt gaben, um diese schwere Situation durchzustehen. Links und rechts von ihnen hatten sich Bill Buchanan und Chase Edmunds positioniert. Und dahinter standen all die anderen Mitarbeiter und Kollegen von der CTU und der Division. Es mußten wohl so an die 60 Leute sein. Davids Blick richtete sich nunmehr auf das Paar zu seiner eigenen Rechten - Tony und Michelle, beide ganz in Schwarz, sich gegenseitig umklammernd und mit Tränen in den Augen. Michelles Kopf lag schutzsuchend auf Tonys linker Schulter. Links von David stand Chloe O'Brian in einem dunkelblauen Hosenanzug. Ihr Kopf war nicht gesenkt, sondern überstreckt gen Himmel gerichtet, als würde sie den dort schon seit einer halben Stunde kreisenden Adler in seinem Flug beobachten. Doch wer genauer hinsah, konnte entdecken, daß der kleine See in ihren beiden Augen das schier unmöglich machte. David senkte den Blick wieder. Er kniff die Augen zusammen und gab sich ganz seinen Gedanken hin. Es waren absurde Gedanken - und doch gelang es ihm nicht, sie hier im Angesicht des Todes zu vertrieben. In seinem Kopf stellte er sich vor, wie es wäre, wenn er in jenem Sarg läge, der hier nur darauf zu warten schien, von dem tiefen dunklen Erdloch für immer und ewig verschluckt zu werden. Wer würde an seinem Grab stehen und weinen? Sherry? Nein, sie hätte wohl schon zu Lebzeiten nicht aufrichtig um seinen Tod getrauert - oder etwa doch? Wahrscheinlich wäre es ihr auch bei der Beerdigung nur um das Gesehenwerden und ihr eigenes Ansehen gegangen. Ob sie ihn überhaupt jemals geliebt hatte? Oder war er schon immer nur der Erfüllungsgehilfe für ihr ehrgeiziges Machtstreben gewesen? Egal, sie hatte diese Erde bereits verlassen und würde auf seiner Beerdigung auf alle Fälle fehlen. Und Keith? Immer wenn sie sich trafen und wenn sie miteinander telefonierten, endete es in einem Streit. Der Sohn warf dem Vater vor, nicht genug Zeit für ihn zu investieren - und der Vater reagierte, indem er seinem Sohn Ungerechtigkeit gegenüber ihm und sich selbst diagnostizierte. Alles drehte sich im Kreis, bis Keith irgendwann schmollte und das Gespräch abrupt beendete. Dann herrschte wieder monatelang Funkstille, bis David den nächsten Versöhnungsversuch startete. Auf Keith brauchte er an seinem Grab nicht hoffen. Aber Nicole? Sie war vor zwei Jahren nach Europa gegangen und dort zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau aufgestiegen. Man telefonierte an Geburtstagen und zu Weihnachten ein paar Minuten miteinander, aber sonst ... Wenn ihr Vater sie zu sich eingeladen hatte, dann meinte sie immer, sie hätte keine Zeit und es gäbe noch soviel zu tun. Und daß sie vor einem halben Jahr auf einem US Kurztrip ihren Bruder besucht hatte, war David auch nur durch Zufall zu ohren gekommen. Keith hatte sich bei einem der endlosen Streits am Telefon verplappert. Sicher würden ihr bei der Teilnahme an seinem Begräbnis ebenfalls wieder wichtige Geschäftstermine im Wege stehen. Und was war mit seinem Amtsnachfolger - Präsident Charles Logan? Der ganz sicher nicht! Schließlich hatte er ihn nach geleisteter Amtshilfe einfach wie einen Fremdkörper aus seinem Umfeld entfernt. Klar würde er irgendwo auf einer seiner Residenzen vor der versammelten Presse eine glühende Rede über die Ehrlichkeit, den Anstand und die Würde des Verstorbenen halten - doch nur, um sein eigenes Ansehen dadurch zu fördern und seine Wiederwahl zu sichern. David hatte nach dem gescheiterten Mordversuch an Jack seine Beziehungen spielen lassen und war dabei im Dunstkreis Logans auf Dinge gestoßen, die ihn in tiefstem Maße beunruhigten. Welche Leichen würde er wohl erst im Keller dieses Mannes finden, wenn er noch tiefer graben würde? Nein, diesen skrupellosen Heuchler, der für seinen Machtwahn zu allem bereit war, würde er bei seiner Grablegung keinesfalls vermissen. Tja, es würde wohl nur ein kleiner erlesener Kreis sein, der wirklich um ihn trauern würde - Wayne, Martha Logan, Mike Norvick, Aaron Pierce, Tony Almeida und Michelle Dessler vielleicht und Jack. Aber der könnte der Trauerfeier natürlich ebenfalls nicht beiwohnen, denn er galt ja nun selbst als tot. Jener flüchtige Gedanke riß David wieder heraus aus seinem kurzen Nachsinnen über die eigene Sterblichkeit. David Palmers Augen öffneten sich. Sein Blick wurde fest und klar. Die Mittagssonne strahlte ihn an und verlieh seiner Silhouette in den Augen der anderen einen engelhaften Schein. Ihm war bewußt geworden, daß er der Nachwelt etwas hinterlassen wollte - und eine innere Stimme sagte ihm, daß seine Zeit dafür knapp bemessen war. All seine Erfahrungen und Gedanken sollten nicht mit ihm zu Grabe getragen werden. Seine Kinder und seine Mitmenschen mußten erfahren, wie es in ihm wirklich aussah. Nur so hatten sie die Chance, ihn am Ende wirklich zu verstehen. Er würde seine Memoiren zu Papier bringen. Und eines der Kapitel würde er jenem Mann widmen, dem er in seinem Leben so vieles zu verdanken hatte und nicht zuletzt auch sein Leben selber - seinem Freund: Jack Bauer! NACHSPIEL Der Mann im Baum nahm ein auf einer Astgabel bereitliegendes Gewehr auf und brachte es in Anschlag. Er kniff ein Auge zu, mit dem anderen visierte er durch die Zieleinrichtung den Kopf Palmers an. Dann flüsterte er durch das Mikro seines Bluetooth-Headsets: "Hier Haas, bin in Stellung! Habe ich grünes Licht?" In Haas' Ohr knackte es kurz und nach einigen Sekunden Stille hörte er seinen Auftraggeber sagen: "Code Gelb! Für heute ist die Sache erstmal abgeblasen! Wir müssen uns noch ein klareres Bild über die Zielperson verschaffen! Meine Quelle in der Regierung wird uns Bescheid geben, wenn sich das Ziel der Wahrheit zu sehr annähert. Bis dahin tauchen Sie unter und gehen auf Standby!" Haas klang etwas beunruhigt: "Und wie steht es mit einem Sündenbock für das Unternehmen?" Wieder knackte es im Ohrhörer und die Stimme antwortete: "Wir arbeiten daran! Unter Umständen wohnen Sie gerade seiner Beerdigung bei! ENDE!" |
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